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Ausbildung, Berufswahl und Beruf entscheiden maßgeblich über die Möglichkeiten von Menschen mit Behinderungen, ihren Lebensunterhalt zu sichern sowie am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Doch auch im Jahr 2024 sind die Hürden beim Zugang zu (Aus)bildung und Berufstätigkeit für Frauen und Männer mit Behinderungen hoch – viel zu hoch. Insbesondere in unseren Programmländern südlich der Sahara sind viele von ihnen in einem Kreislauf aus Armut und Behinderung gefangen. In Kenia wollen wir diese Situation mit unseren Programm InBusiness ändern.
Ein Projektbesuch mit bleibendem Eindruck
Vor über zwanzig Jahren kam die Journalistin und Moderatorin Yve Fehring zum ersten Mal mit unserer Arbeit vor Ort in Subsahara-Afrika in Kontakt. Damals hat sie ein Projekt in Uganda für die Kindernachrichtensendung logo! besucht.
Heute unterstützt Yve Fehring, die einem großen TV-Publikum durch Sendungen wie das Nachrichtenformat „heute – in Deutschland“, das Wochenmagazin „Länderspiegel“sowie die Wissenschaftssendungen „nano“ und „Terra Xpress“ bekannt ist, die Arbeit von Light for the World als Mitglied. Als sie die Osterferien 2024 mit ihrer Familie privat in Kenia verbracht hat, war es ihr deshalb auch ein Herzensanliegen, sich die Zeit zu nehmen, um unsere Kolleg*innen aus dem Country Office in Kenia zu treffen.
Zusammen mit unseren Kolleginnen Lucy Murage und Christine Ogutu aus dem kenianischen Team hat Yve Fehring sich mit Wycliffe Ambeyi in Kibera, dem größten Slum direkt bei Nairobi, getroffen. Wycliffe nimmt erfolgreich an unserem Programm InBusiness teil. Der 42-jährige lebt mit Albinismus.
Hier folgt ihr Reisebericht:
Berufliche Chancen für Menschen mit Behinderungen – vor Ort in Kenia
„Mzungu“ steht über seinem kleinen Laden. Es bedeutet Weißer, Fremder, aber auch Aussätziger. Genau so hat sich Wycliffe als Kind oft gefühlt, wie er mir erzählt. Zusammen mit Christine und Lucy von Light for the World treffe ich den 42-Jährigen am Law Court mitten in Kibera, dem Slum von Nairobi.
Wycliffe lebt mit Albinismus. Die angeborene Stoffwechselerkrankung bringt nicht nur körperliche Einschränkungen wie verminderte Sehkraft mit sich, viele Betroffene werden in Afrika gemieden, oftmals diskriminiert. „Als ich klein war, wollten mich andere Kinder nicht berühren. Sie hatten Angst, dass ich einen bösen Zauber auf sie übertrage“, erinnert sich Wycliffe und überraschender Weise lacht er dabei. Denn Mzungu ist für ihn kein Schimpfwort mehr, er hat es mit der Hilfe von Light for the World zu seinem Markenzeichen gemacht.
Gemeinsam laufen wir durch die lehmigen Gassen von Kibera. Heftiger Regen hat in der Nacht den Boden aufgeweicht. Am Straßenrand kann das Wasser durch den vielen Müll kaum abfließen. Es riecht nach Kloake, aber auch nach verbrannter Kohle und gebackenen Shabati, dem kenianischen Fladenbrot. Überall herrscht geschäftiges Treiben. Motorräder knattern vorbei. Fröhliche Musik ist zu hören. Rund 700.000 Menschen leben hier auf engstem Raum. Es reiht sich eine Wellblechhütte an die andere. Wycliffe scheint fast jeden zu kennen. Viele grüßen ihn, winken ihm zu.
Facts & Figures: Die Situation in Kenia
Offiziell leben in Kenia 2,2 % der Bevölkerung mit einer Behinderung. Diese Zahl dürfte in der Realität höher liegen: nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) sind 16 % der Weltbevölkerung von Behinderung betroffen, von denen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 80 % in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen leben.
Dennoch: das ostafrikanische Land engagiert sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und hat es sich zum Ziel gemacht, dass 5 % aller Mitarbeitenden in kenianischen Unternehmen Menschen mit Behinderungen sind.
Dass Kenia die Rechte von Menschen mit Behinderungen ernst nimmt, zeigt sich auch auf politischer Ebene: Kenia hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen für über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) ratifiziert, ebenso wie die Verpflichtungen des Global Disability Summit (GDS).
Aktuell leben laut offiziellen Angaben 57,4 % aller Menschen mit Behinderungen in Kenia in Armut. 46 % von ihnen können sich keine drei Mahlzeiten am Tag leisten, 9 % nicht einmal eine einzige. Nur 12,7 % der Menschen mit Behinderungen sind krankenversichert.
Wir finden: das darf nicht sein!
Schließlich stehen wir vor Wycliffes Business „Mzungo Reloaded Matresses“. Der Laden ist eine kleine Holzhütte und Wycliffes ganzer Stolz. Wir räumen die Matratzen draußen auf die Regale, hängen Schuhe zum Verkauf auf. Seit knapp 13 Jahren steht der Vater von fünf Kindern täglich in seinem Laden und wartet auf Kundschaft, die mal mehr, mal weniger kommt. Sein Business ist alles andere als selbstverständlich. Das ist ihm sehr bewusst. Doch irgendwann habe er sich gedacht, so berichtet er mit eindrücklichen Worten, dass er die Community nicht ändern werde. Ändern könne er nur seine eigene Haltung. „I turned my disability into ability“, lautet seine Botschaft, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht und mich zutiefst beeindruckt. Das englische Wortspiel lässt sich schlecht übersetzen – am besten trifft es vielleicht „ich habe meine Behinderung zu meiner Chance gemacht“.
Dabei geholfen hat ihm Light for the World. In mehreren Schulungen und Coachings wurde Wycliffe auf die Geschäftswelt vorbereitet. Ihm wurde geholfen, einen Businessplan aufzustellen, die Finanzierung zu organisieren und vor allem wurde Wycliffe ermutigt, sein eigener Boss zu sein. Oder wie sich Wycliffe ausdrückt:
Wycliffe Ambeyi, Teilnehmer am Programm InBusiness in Kenia Light for the World hat den Zucker in meinen Tee geschüttet und mich stark gemacht.
Wichtig ist ihm, dass sein Geschäft zertifiziert ist. Alle wichtigen Dokumente trägt er in einer Plastiktüte bei sich, sie sind sein größter Schatz. Für Light for the World muss er, das ist der Programm-Koordinatorin Christine ganz wichtig, regelmäßig Protokoll führen. Das fällt ihm nicht schwer. Denn auf Compliance – die Beachtung von staatlichen Vorgaben – legt Wycliffe, wie er immer wieder betont, viel Wert. Sie ist für ihn eine offizielle Bestätigung, dass er auf eigenen Beinen steht, seine Familie selbst ernähren kann, dass er ein Teil der kenianischen Gesellschaft ist trotz seiner Beeinträchtigung.
Light for the World hat ihm die Starthilfe gegeben, seinen Weg ist Wycliffe selbst gegangen. Die Begegnung mit diesem fröhlichen, zuversichtlichen Mann werde ich so schnell nicht vergessen. Sie bleibt in meinem Kopf, in meinem Herzen.
(c) Yves Fehring.
Was wir tun
Unser Programm InBusiness ist darauf ausgerichtet, Kleinst- und Kleinunternehmer*innen mit Behinderungen zu schulen und ihnen das nötige Wissen an die Hand zu geben, damit sie ein Unternehmen erfolgreich gründen, aufbauen und führen können.
Wir verfolgen dabei einen nachhaltigen Ansatz. Es geht nicht nur um die Beseitigung von Barrieren, die Menschen mit Menschen mit Behinderungen an der vollen Teilnahme an Wirtschaftsleben abhalten. Es geht um eine systemische Veränderung, bei der alle gewinnen. Aktuell verlieren Unternehmen und Regierungen Einnahmen und Steuern von potenziell einer Milliarde Menschen. Und die Talente von Menschen mit Behinderungen, die sie gewinnbringend in Unternehmen einsetzen könnten, werden vergeudet.
Die Ausgangssituation
In unseren Programmländern wie Kenia arbeiten die meisten Menschen im informellen Sektor – bis zu 70 %. Ihre Arbeitsverhältnisse sind nicht reguliert, es gibt keinen Vertrag und keine soziale Absicherung, es werden keine Steuern wie z.B. eine Mehrwertssteuer entrichtet. Der größte Teil der im informellen Sektor tätigen Frauen und Männer verdienen ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Weitere Beispiele sind kleine Ladengeschäfte, der Direktvertrieb von selbst hergestellten Produkten, Handwerks- oder Produktionsbetriebe.
Auch die Unternehmen der Programmteilnehmer*innen fielen zum Zeitpunkt der Teilnahme am Programm überwiegend in den informellen Sektor. Die häufigsten Probleme: Fehlende Geschäftslizenzen und Betriebsgenehmigungen, keine oder mangelhafte Buchhaltungsstrukturen, fehlender Zugang zu Krediten, ungeeignete oder fehlende Geschäftsräume, mangelhafte Qualität Waren und Dienstleistungen.
Was wir ändern
Light for the World bietet Kleinst- und Kleinunternehmer*innen die Vermittlung von wichtigem Wissen zur korrekten Unternehmensführung und zu Finanzen, finanzielle Unterstützung und Zugang zu Finanzmitteln sowie Schulungen und ein breites Spektrum von technischen Ausbildungen. Entscheidend ist auch, dass die Teilnehmer*innen dadurch mehr Selbstvertrauen entwickeln – eine Grundlage für Verhandlungsgeschick und geschäftlichen Erfolg.
Zusätzlich steht Light for the World gemeinsam mit Partnern im Austausch mit öffentlichen Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Durch die Vernetzung mit Unternehmen entstehen neue Chancen für Kleinunternehmer*innen mit Behinderungen: erste Unternehmen konnten bereits davon überzeugt werden, Unternehmen von Menschen mit Behinderungen und deren Produkte in ihre Beschaffungsketten einzubinden, unter anderem den Getränkehersteller East Africa Breweries Limited und die Maiyan Hotels.
Gemeinsam mit kenianischen Organisationen von Menschen mit Behinderungen stehen wir mit Vertretern der Politik – auf regionaler und nationaler Ebene – in Kontakt und setzen uns für verbesserte Rahmenbedingungen von Menschen mit Behinderungen ein.