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Jana Zehle, Expertin für Inklusive Bildung, über Bildung, Inklusion und wie die Pandemie die Bildungschancen massiv verändert.
Mit Jana Zehle konnte Light for the world Deutschland eine Expertin für Inklusive Bildung als neues Mitglied gewinnen. Worauf es ankommt, damit Inklusion klappt, kann sie rasch und einfach zusammenfassen: „Wenn inklusive Bildung funktionieren soll, müssen wir uns von einer Gleichschrittigkeit frei machen und die Vielfältigkeit als was ganz Positives und Bereicherndes sehen, nicht als etwas Störendes.“
Jana Zehle ist Professorin für Heilpädagogik, Inklusive Bildung und Begleitung an der Hochschule in Hannover und neu bei Light for the World Deutschland. In ihrer Funktion beschäftigt sie sich auch mit theoretischen Fragen der Bildung, von denen sie ihre Arbeit aus ableitet: „Es geht nicht nur darum, dass alle Kinder im Gleichschritt Lesen und Schreiben lernen müssen. Bildung heißt, mein Verständnis von Welt und mir selber weiterzuentwickeln. Dass dafür natürlich klassische Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen zentral und absolut wichtig sind, ist ohne Frage.“
Zehn Jahre ihrer Laufbahn hat Jana Zehle in Äthiopien gelebt und dort gemeinsam gearbeitet und geforscht mit Menschen mit Behinderungen. Im Moment macht sie sich große Sorgen darüber, wie die Pandemie die Bildungschancen massiv beeinträchtig, um die Kinder, die stark von der Corona-Krise betroffen sind, vor allem Kinder mit Behinderungen.
Digitales Lernen will gelernt sein
Digitales Lernen auf Distanz soll möglichst überall im Lockdown den Unterricht so gut als möglich ersetzen. Aber während in den Regelschulen versucht wurde, mit digitalem Lernen den Unterricht zu ersetzen, hat in Sonderschulen in Deutschland eine Unterbrechung stattgefunden. „Die Kinder, die schon abgehängt waren, sind jetzt noch mehr abgehängt,“ erläutert Jana Zehle. „Distanzlernen setzt ja auch voraus, dass Kinder schon lernen können, dass sie bereits wissen, wie sie selber am besten lernen. Mit Lernschwierigkeiten potenziert sich das, wenn die Kinder online gleichschrittig ohne jede Form der Differenzierung, ohne Eingehen auf ihr speziellen Bedürfnisse lernen sollen.“
Die Eltern mitnehmen
Wie sich die weiteren Bildungschancen der Kinder nach der langen und kritischen Corona-Zeit entwickeln, wird zum großen Teil auch davon abhängen, in welchem Elternhaus sie leben: „Oftmals können Eltern ihre Kinder nicht in ihrem Lernprozess unterstützen. Manche sind selbst überfordert in dieser Isolation und können den Kindern keine emotionale Unterstützung geben,“ erklärt Jana Zehle. „Oder es fehlt an technischer Ausstattung, an Know-how. Ein Ausweg könnte laut Zehle sein, eine Sprechstunde für die Eltern anzubieten, in der sie Unterstützung nicht nur für die technischen Probleme erhalten.
Keinen weiteren Rückschritt zulassen
Sich an die Eltern zu wenden und an die Gemeinschaften, in denen die Familien leben, ist ein wirkungsvoller Ansatz, um Kindern in Äthiopien ihr Recht auf Bildung zu sichern. Von März bis Dezember letzten Jahres waren die Kinder dort teilweise völlig von schulischer Bildung abgeschnitten. „Ich sehe die große Gefahr, dass ein Teil von ihnen überhaupt nicht wieder zur Schule kommt; vor allem Kinder mit zugeschriebenen Behinderungen, häufig auch Mädchen oder Kinder aus sehr armen Verhältnissen.“ Denn die Eltern sind durch die Pandemie in noch größere Armut geraten. „Die wirtschaftliche Not drückt stärker und da wird schnell mal hinterfragt, was es bringt, die Kinder in die Schule zu schicken.“ Das passiert vor allem, wenn die Eltern selbst nicht in der Schule waren und in Pandemie-Zeiten der Schulbesuch an Bedingungen geknüpft ist, wie das Tragen einer Maske, vorhandene Latrinen zum Händewaschen und andere Hygienevorschriften Schule auch noch an Bedingungen geknüpft ist, wie an eine Maske oder an Hygienemöglichkeiten.
„Damit es nur eine Bildungsunterbrechung war und nicht ein Bildungsabbruch wird, müssen wir die Kinder wieder zurück in die Schule holen.“