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Prävention und Bekämpfung von Trachom in Äthiopien

30.01.2024
Eine Familie aus Tigray, die von vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffen ist
Mohammed Ahmed, 16, zusammen mit seiner Mutter Lima Hussen und Großvater Haji Hussen Ibrahim. Der Jugendliche litt an Trachom und wurde erfolgreich in der Station für Augenheilkunde am Quiha Hospital in der Region Tigray, Äthiopien, operiert.
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Anlässlich des Welttags der vernachlässigten Tropenkrankheiten (englisch: neglected tropical deseases, kurz: NTDs) am 30. Januar schließen wir bei Light for the World uns dem weltweiten Aufruf zur aktiven Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten an. Unter dem Motto Unite.Act.Eliminate. – deutsch: Vereinigen. Handeln. Eliminieren. – wird auch in diesem Jahr auf das Leid der Betroffenen, die Möglichkeiten von Prävention und Behandlung sowie die Hoffnung, vernachlässigte Tropenkrankheiten signifikant zurückzudrängen, aufmerksam gemacht. Unser Ziel: gemeinsam mit unseren Partnern Trachom bis 2030 in Äthiopien zu eliminieren.

Was sind NTDs?

Unter dem Begriff der vernachlässigten Tropenkrankheiten fasst die Weltgesundheitsorganisation WHO 20 unterschiedliche Erkrankungen zusammen, die üblicherweise von Parasiten, Bakterien oder Viren verursacht werden. Weltweit sind sie in über als 150 Ländern verbreitet und betreffen mehr als 1,6 Milliarden Menschen. Allein auf die „Big Five“ der NTDs – Filariose (Fadenbandwurmbefall), Onchozerkose (Flussblindheit), Trachom (Körnerkrankheit), Schistosomiase/Billharziose (Wurmerkrankung), Parasitose (Boden-übertragene Wurmerkrankungen) – gehen etwa 90 % der Erkrankungen zurück. Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr eine halbe Million Frauen, Männer und Kinder direkt oder indirekt an vernachlässigten Tropenkrankheiten.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind Kinder.

Tropenkrankheiten verbreiten sich besonders schnell in Gebieten mit unzureichenden sanitären Einrichtungen, z. B. in ländlichen, schwer zugänglichen, katastrophengefährdeten und von Konflikten betroffenen Regionen, wobei die Ausbreitung durch mangelndes Bewusstsein und fehlenden Zugang zu sauberem Wasser noch zusätzlich gefördert wird.

Warum sind sie „vernachlässigt“?

NTDs sind armutsassoziiert: arme Menschen sind überproportional betroffen.

In der globalen Gesundheitsagenda werden NTDs vernachlässigt, da sie in erster Linie in einkommensschwachen Ländern und Regionen auftreten. Häufig leben die betroffenen Menschen auch in Konfliktgebieten. Von den globalen Finanzierungsagenturen werden NTDs nahezu ignoriert, auch für die forschende Pharmaindustrie sind sie nicht attraktiv. Die Gesundheitspolitik in den betroffenen Ländern unternimmt wenig gegen die Verbreitung, die Gesundheitssysteme sind oftmals unterentwickelt oder finanziell schlecht ausgestattet.

NTDs haben weitreichende gesundheitliche, aber auch soziale und wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen. Die meisten vernachlässigten Tropenkrankheiten führen zu sozialer Stigmatisierung und Ausgrenzung. Ein Teufelskreis aus fehlendem oder geringem Einkommen, Bildungshindernissen und Krankheit.

Was unternimmt Light for the World, um NTDs zu beseitigen?

(c) Genaye Eshetu/Light for the World, 2023. Haile Tesfaye, 32, ist Landwirt und Vater von zwei Kindern. Mehr als drei Jahre lang litt er an einer Bindehautentzündung. Er dachte, es sei eine Erbkrankheit. Nachdem eine Krankenschwester seinen Zustand bemerkt hatte, wurde er operiert. Demächst wird seine Mutter operiert, die ebenfalls an Trachom leidet.

Die Weltgesundheitsorganisation hat 2021 einen Fahrplan vorgelegt, der unter anderem folgende Schritte vorsieht: bis 2030 soll die Anzahl der von NTDs betroffenen Menschen um 90 % reduziert werden. Außerdem sollen mindestens zwei NTDs komplett ausgerottet und mindestens eine NTD in 100 Ländern vollständig eliminiert sein. Die Anzahl der krankheitsbedingt verlorenen gesunden Jahre soll um 75 % gesenkt werden.  

Bei Light for the World bekämpfen wir zusammen mit unseren Partnern drei NTDs: Trachom, Flussblindheit und lymphatische Filariose.

Wir konzentrieren uns vor allem auf die präventive Behandlung und begrenzen die Ausbreitung dieser Krankheiten durch die breite Verabreichung von Medikamenten. Auch die Diagnosestellung und Behandlung, die Bereitstellung von sanitären Einrichtungen, sauberem Wasser und Medikamenten sind zentrale Bestandteile unserer Programme. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit ist eine weitere Säule unseres Engagements. Dabei unterstützen wir eine sektorübergreifende Zusammenarbeit und stellen sicher, dass alle unsere Maßnahmen inklusiv sowie geschlechtergerecht sind.

Die Ausrottung von NTDs in Äthiopien

In Äthiopien gelten 16 von 20 anerkannten NTDs als Problem für die öffentliche Gesundheit. Damit hat das Land eine der höchsten Raten an NTDs weltweit.

Light for the World arbeitet mit Partnern und Gesundheitsbehörden zusammen, um das Trachom in Äthiopien bis 2030 zu eliminieren und die lymphatische Filariose und Onchozerkose zu verhindern.

Trachom ist eine bakterielle Augeninfektion der Bindehaut, die durch Chlamydia Trachomatis verursacht wird. Wird das Trachom früh genug entdeckt, lässt es sich unkompliziert mit Antibiotika behandeln. Bleibt sie hingegen unbehandelt, kann sie zur Erblindung führen. Das Augenlid vernarbt, die Wimpern drehen sich nach innen und zerkratzen nach und nach die Hornhaut. Dieses Stadium der Erkrankung wird als Trichiasis bezeichnet.

Als weltweit häufigste infektiöse Erblindungsursache sind heute etwa 1,9 Millionen Menschen nach einer Infektion erblindet, zwei Millionen Menschen benötigen dringend eine sehkrafterhaltende Operation zur Behandlung der trachomatösen Trichiasis.

Die lymphatische Filariose – auch als Elephantiasis bekannt – wird durch eine Infektion mit parasitären Würmern verursacht, die von Stechmücken übertragen werden. Die Parasiten siedeln sich im Lymphsystem an, stören den Abfluss der Lymphflüssigkeit und verursachen dauerhafte Entzündungen und Schwellungen der Gliedmaßen.

Onchozerkose, auch Flussblindheit genannt, ist eine Augen- und Hautkrankheit. Die Krankheit heißt Flussblindheit, weil die Kriebelmücke, die die Infektion überträgt, in der Nähe schnell fließender Bäche und Flüsse lebt und brütet, meist in ländlichen Regionen in der Nähe von Dörfern. Die Infektion kann zu Sehbehinderungen und im schlimmsten Fall zur Erblindung führen.

Schwierige Gesundheitsversorgung

Bewaffneten Konflikt, wie z.B. in Tigray, oder auch die COVID-19-Pandemie, hatten verheerende Auswirkungen, sowohl für die Bevölkerung als auch für die nationalen und regionalen Gesundheitssysteme des Landes.

(c) Genaye Eshetu/Light for the World, 2023. Tsega Negasie, 23, litt an Trachom und wurde kürzlich mit Unterstützung von Light for the World operiert. „Ich bin erleichtert, dass ich endlich hier bin. Selbst wenn ich es gewollt hätte: aufgrund des Krieges hätte ich nicht kommen können. Es ist schön, endlich etwas Frieden zu haben. In den letzten Tagen war ich unsicher wegen der Behandlung und hatte Angst, dass ich mein Augenlicht verlieren würde. Aber ich danke Gott für den Frieden und die Möglichkeit, mein Augenlicht zu retten“, sagt sie.

Trotz der jüngsten Friedensvereinbarungen ist es nach wie vor schwierig, die von vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffenen Menschen zu erreichen.

„Vernachlässigte Tropenkrankheiten betreffen Millionen von Menschen in Tigray. Die Regionalregierung kann es sich nicht leisten, diese Krankheiten zu ignorieren und muss die Prävention und Eliminierung in ihre Routinearbeit integrieren“, sagt Dr. Amanueal Haile, Leiter des Gesundheitsbüros von Tigray.

„Wir müssen uns vernetzen und Aufmerksamkeit schaffen, um sicherzustellen, dass die Menschen in Tigray nicht unnötigerweise an Trachom-bedingtem Sehverlust leiden. Ich hoffe, dass die Partnerschaft mit internationalen Fachorganisationen wie Light for the World es uns ermöglicht, dieses Ziel zu erreichen.“

Light for the World bemüht sich seit 2006 um die Beseitigung vernachlässigter Tropenkrankheiten in Tigray und seit 2014 auch in West-Oromia, wobei unser Programm in Tigray im Juni 2023 offiziell wiederaufgenommen wird. Wir konzentrieren uns auf die Beseitigung von Trachom, lymphatischer Filariose und Onchozerkose, die in diesen Regionen weit verbreitet sind.

In den nächsten drei Jahren wird Light for the World in Tigray und West-Oromia vier Millionen Menschen durch präventiv verteilte Antibiotika vor Trachom schützen. In diesem Zeitraum werden außerdem 5.000 sehkrafterhaltende Operationen durchführen, um Trachom-bedingte Erblindung zu verhindern. Mehr als 130.000 Menschen sollen gegen lymphatische Filariose behandelt werden, die derzeit noch ein ernsthaftes allgemeines Gesundheitsproblem darstellt. Nicht zuletzt wollen wir sechs Millionen Menschen mit Maßnahmen gegen Onchozerkose erreichen.

Die Finanzierung wurde von USAID über ACT to End Neglected Tropical Diseases|EAST und den END Fund über das ARISE-Programm bereitgestellt. Die Programme werden in Zusammenarbeit mit dem Tigray Health Bureau durchgeführt.

Aynalem Tefera, Landesdirektorin von Light for the World in Äthiopien, unterstreicht unsere langjährige Partnerschaft mit dem Tigray Health Bureau hervor, die seit mehr als einem Jahrzehnt die Blindheits-Prävention in der Region unterstützt: „Der Start dieses Programms steht im Einklang mit unserem Engagement und dem internationalen Ziel, vernachlässigte Tropenkrankheiten als öffentliches Gesundheitsproblem in Äthiopien bis 2030 zu beenden.“

Verteil-Aktionen gegen NTDs

Groß angelegte Verteil-Aktionen von Medikamenten ist für die Prävention, Behandlung und Eliminierung von NTDs von entscheidender Bedeutung. Sie stellen sicher, dass Infizierte behandelt werden und alle übrigen vor zukünftigen Infektionen geschützt werden.

So kann die breite Bevölkerung in einer Region gegen bestimmte Krankheiten behandelt werden, wie z.B. vor kurzem in Tigray. Nachdem die Beteiligung der Menschen zunächst geringer als erwartet ausfiel, ging ein Team von Light for the World von Haus zu Haus und verteilte Medikamente.

„Einer der Vorteile der Verteilaktion von Haustür zu Haustür ist, dass man auch die Menschen erreicht, die aufgrund von Krankheiten und Behinderungen zu Hause bleiben müssen“, sagt Sihen Aregawi, Gesundheitsberater in Dogua Temben, Tigray.

(c) Genaye Eshetu/Light for the World, 2023. Kirose Belay ist eine junge Frau aus der Provinz Tigray in Äthiopien. Sie kam mit Zerebralparese zur Welt. Die gesamte Familie wurden vor kurzem im Rahmen einer Verteil-Aktion gegen Trachom behandelt. Nachdem das Team von Light for the World erklärt hatte, warum sie da waren, nahmen sowohl Kirose als auch ihre Mutter Zithromax ein, ein Antibiotikum, das Trachom behandelt. Wir werden die Zusammenarbeit mit unseren Partnern fortsetzen, mit weiteren Verteil-Aktionen in West-Oromia und Tigray. So können wir noch mehr Menschen erreichen und kommen dem Ziel – der Ausrottung von Trachom in Äthiopien bis 2030 – ein Stück näher.